
Ich bin die Tür; wenn jemand durch mich hineingeht, wird er selig werden und wird ein und aus gehen und Weide finden.
Johannes 10,9
Gibt es ein schöneres Wort für das, was Jesus für uns sein kann: eine offene Tür? Der Weg ins Freie. Und dann auch wieder die Tür zurück in meinen Schutz- raum, in die vertraute Geborgenheit. Eine Tür ist ja immer beides, der Weg hin- aus und der Weg zurück. Das alles kann Jesus für uns sein: der Weg ins Freie und auch der Schutz vor der bedrängen- den Welt mit ihren Ansprüchen und Zwängen.
Stellen Sie sich einmal ein Haus mit nur verschlossenen Türen vor. Ein Gefängnis. Und ein Haus ganz ohne Türen? Ein Grab - so wie die Pyramiden. Ein lebendiges Haus braucht eine Tür, durch die ich ein und aus gehen kann. Das ist doch das Leben: Hinauswagen ins Unbekannte und mich wieder zurückziehen können in mich selbst in mein Heim.
Der Türvergleich ist ein erstaunliches Ich-Bin-Wort. Mir ist es selbst früher nie besonders aufgefallen neben den viel bekannteren Ich-Bin-Worten. Jetzt, wenn ich darüber nachdenke, kommt es mir wie ein Kernsatz der Botschaft Jesu vor.
Der Glaube, den er schenkt, will uns nicht bedrücken oder einkerkern, sondern schenkt uns Freiheit und Licht und „stellt unsere Füße auf weiten Raum“. (Psalm 31,9) Und zugleich ist es dieser Glaube, der mir Schutz und Sicherheit gibt, wo ich meine Lasten ablegen und wieder Kraft schöpfen kann. (Matthäus 11,28)
Durch eine sehr besondere Tür bin ich einmal in Bethlehem in der Geburtskirche gegangen. Während andere Kirchen große Pforten und Tore als Eingang haben, ist die Tür zu Jesu Geburtsort nur 1,20 Meter hoch. Vermutlich um berittene Angreifer aufzuhalten, wurde das ursprünglich große Portal verkleinert. Die kleine Tür heißt jetzt das „Tor der Demut“. Jeder Mensch, der diese Kirche betreten möchte, muss sich bücken, sich klein machen, sich verneigen. Jeder Staatsmann, jeder Papst, jeder Mensch. Diese un- scheinbare Tür erinnert daran, dass Gott Mensch geworden ist im Kind Jesus von Nazareth. Er hat sich klein gemacht, um uns nah zu sein. Bethlehem ist der Ort, an dem dies spürbar wird. Und diese Tür ist ein besonderes Zeichen dafür.
Eigentlich hatten wir geplant, in diesem Frühjahr mit einer Gemeindegruppe diese Kirche und ganz Israel zu besuchen. Das ist nun nicht möglich. So möchte ich in meinem Inneren lernen, jeden Tag durch diese kleine Pforte zu gehen, durch Jesus, meiner Tür, in die Freiheit und in die Geborgenheit.
Matthias Ullrich